Hintergrund der Aufgabe: Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ beginnt mit der Annahme, dass es nichts uneingeschränkt Gutes gibt „als allein der gute Wille.“ Kant schließt damit aus, dass Handlungen schon deshalb als uneingeschränkt gut bezeichnet werden können, weil sie mit geistigen Fähigkeiten wie Verstand, Witz und Urteilskraft oder Charaktereigenschaften wie Mut, Entschlossenheit und Beharrlichkeit vollzogen werden. Denn diese Eigenschaften können auch mit einem bösen Willen verbunden sein wie etwa bei einem intelligenten Betrüger. Gleiches gilt nach Kant für Glücksgaben wie Macht, Reichtum, Ehre und Gesundheit oder Zustände der Glückseligkeit wie Wohlbefinden und Zufriedenheit. Der gute Wille ist auch nicht deshalb gut, weil er ein bestimmtes Ziel erreicht, sondern allein durch das Wollen. Denn es gibt Umstände, die das Erreichen des Ziels vereiteln, ohne dass der Handelnde etwas dafürkann.
Untersuchen Sie die Fallbeispiele hinsichtlich folgender Fragen:
a) Welche geistigen Fähigkeiten, Charaktereigenschaften, Glücksgaben oder Formen der Glückseligkeit sind für das Handeln bzw. die handelnden Personen charakteristisch?
b) In welchen Fällen handeln die Personen (wenn überhaupt) aus einem guten Willen heraus (ohne eigennützige Motive)?
Fallbeispiele:
1) Lisa hat mit ihrer genialen Forschung einen wichtigen Beitrag zur Heilung von Malaria geleistet.
2) Peter macht eine Köpfer vom 10-Meter-Brett, nachdem er bemerkt hat, dass Marie im Freibad ist.
3) Christiano Ronaldo leistet einer alten Frau erste Hilfe, obwohl er dadurch zu spät zum Training kommt.
4) Der Gouverneur begnadigt einen mit der Todesstrafe Verurteilten, obwohl er damit rechnen muss, dass ihm das Stimmen im bevorstehenden Wahlkampf kosten wird.
5) Andrea unterstützt seit fünfzehn Jahren einen immer wieder straffälligen Drogenabhängigen. Ihr missfallen die damit verbundenen Anstrengungen, aber da sie es selbst leicht hatte im Leben, fühlt sie sich verpflichtet, anderen zu helfen.
6) Jannik lässt hin und wieder etwas Kleingeld in die Büchse für die Kindernothilfe beim Bäcker fallen, weil er das Geräusch des hereinfallenden Geldes liebt.