Die Tugendethik ist die älteste systematische Ethik des Abendlands und wurde in der griechischen Antike insbesondere von Sokrates, Platon und Aristoteles entwickelt. Im Unterschied zu den modernen Ethiken liegt der Fokus nicht auf der Handlungsbewertung, sondern auf einem tugendhaften Charakter. Alina bietet die Tugendethik also eher eine indirekte Antwort auf ihr Problem: Sie soll sich nicht an einem Moralprinzip orientieren, sondern daran, was ein tugendhafter Mensch tun würde.
Wie aber handelt ein tugendhafter Mensch? Ein zentrales Kriterium ist die Orientierung am gelingenden Leben. Ein gelingendes Leben ist aber wiederum wesentlich mit der Gemeinschaft von Menschen verbunden. Die antike Moralphilosophie ist nicht individualistisch, sondern betrachtet den Menschen im Kern als soziales Wesen. Für das menschliche Handeln sind also diejenigen Tugenden ausschlaggebend, die für gelingende Leben in der Gemeinschaft zentral sind.
Was aber sind Tugenden? Sie zu definieren, ist tatsächlich nicht leicht. Sie sind nicht mit bestimmten Handlungen, Konsequenzen oder Aktivitäten identisch. Es ist moralisch richtig, einem Menschen das Leben zu retten, tugendhaft muss die Handlung deshalb aber nicht sein, denn sie könnte auch aus rein egoistischen Motiven ausgeführt worden sein. Gleiches gilt für die Konsequenzen: auch eine Handlung, die zu positiven Ergebnissen führt, kann rein egoistischen Motiven entstammen. Bestimmte Aktivitäten sind typisch für Menschen, die einem Hobby frönen. Ein Hobbyfußballer spielt regelmäßig Fußball. Ein gerechter Mensch hingegen führt aber nicht regelmäßig bestimmte Aktivitäten aus, sondern handelt in ganz unterschiedlichen Situationen gerecht.
Eine Tugend ist eine Haltung, die entwickelt werden muss und die das Leben eines Menschen bestimmen sollte. Tugenden sind also etwas, das jemand willentlich anstrebt. Wesentlich für diese Haltung ist zudem, dass der Akteur nicht willkürlich, sondern überlegt handelt.
Welche Tugenden sind für das gute Leben wichtig? In der Antike betrachtete man folgende vier als „Kardinaltugenden“ bezeichnete Tugenden als wesentlich: Besonnenheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit, und Weisheit. Im Mittelalter fügte Thomas von Aquin diesen Tugenden die christlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung hinzu.
Wie handelt ein tugendhafter Mensch in einer konkreten Situation? Für die Tugendethik ist im Vergleich zur Pflichtethik charakteristisch, dass es keine allgemeingültigen Handlungsanweisungen gibt. So würde ein Tugendethiker Kants Forderung zurückweisen, dass Lügen in jeder erdenklichen Situation moralisch verboten ist. Jede Situation unterscheidet sich von anderen. Daher gilt es, eine Situation hinsichtlich der Tugenden genau zu analysieren.